Nachdem Slayer Anfang 2019 ihre Abschiedstour angekündigt hatten, habe ich den Tourneeplan gewälzt, um noch möglichst viel Slayer mitzunehmen, bevor sich die Titanen des Heavy-Metal (vermutlich) in den wohlverdienten Ruhestand verabschieden  – die Berichte aus Madrid, Barcelona und München konntet ihr ja hier schon lesen.

Irgendwie bin ich dann immer wieder über Tokyo und das dortige Download-Festival gestolpert: In Japan war ich noch nie, interessiert hat mich das Land schon länger und mit etwas Glück würde ich auch noch die berühmte Kirschblüte mitbekommen…  zudem stand in dem Zeitraum noch eine Tattooconvention in Taiwan bzw. die Teilnahme von einem unserer Tätowierer dort zur Debatte und da könnte man da ja auch noch vorbei schauen…

Also diverse Reiseberichte gelesen und nach günstigen Flügen geschaut und dabei festgestellt, dass es mit einem Gabelflug über Shanghai deutlich günstiger wird und das ganze sogar in diesem Fall ohne China-Visum funktioniert – wie genau erkläre ich im ShangaiBericht, dazu sollten noch ein paar Tage Hiroshima, Kyoto und natürlich Tokyo das ganze vervollständigen – aber eines nach dem anderen:

Die Karten für das Download-Festival konnten  online bestellt und hinterlegt werden, leider waren die VIP/Tickets (entspricht unserem Front of Stage bzw. Golden-Circle) ausverkauft, aber ansonsten hat alles reibungslos funktioniert, wie eigentlich alles in Japan.
Kleiner Wehmutstropfen am Rande: Als Headliner waren ursprünglich Slayer und Ozzy Osbourne angesagt, Ozzy musste aber seinen Auftritt wie schon den in München krankheitsbedingt absagen und dafür kam als Ersatz Judas Priest. Ozzy habe ich noch nie live gesehen, bei Judas war ich seinerzeit in London bei der Abschiedstour,- nee da war für mich klar, dass ich mir deren Gig schenken kann.
Das Download-Festival fand in der Messehalle in Tokyo statt / an anderen Standorten wie z.B. England, Spanien oder Australien geht es über mehrere Tage, aber mehr freie Tage werden vermutlich bei den fleißigen Japanern mit ihren wenigen Urlaubstage nicht funktionieren – der Festival-Tag war ja ohnehin einer der wenigen Arbeitsfreien Feiertage in Japan.

Wie läuft ein Heavy-Metal-Festival in Japan ab?

 

In erster Linie unglaublich diszipliniert: Es gibt kein Gedränge, man stellt sich überall brav an, von ein paar Touristen abgesehen sieht man keine betrunkenen und es stehen nirgends Getränke oder Essensreste herum:
auch wenn es keinen Pfand auf Getränke gibt, findet sich am Hallenboden kein leerer Becher oder ähnliches.

Wie im  restlichen Land räumt der Japaner seinen verursachten Müll selber weg, und recycelt hierbei noch nach Getränkerest, Pappe und Plastik. Auch bei den typischen japanischen Hightech-Toiletten das gleiche Bild: Es gibt eine Schlange ohne Gedränge, die Leute warten geduldig bis sie dran sind und die Toiletten fürs große Geschäft sind kostenlos und den ganzen Tag sauber, obwohl ich nicht einmal jemanden beim putzen gesehen habe – nach europäischen Maßstäben unvorstellbare Zustände.

…und um mal wieder politisch unkorrekt zu werden: Wenn es mal wieder um das Thema Zuwanderung gehen sollte:  ich hätte gerne mehr multikulturelle Bereicherung aus Japan:  von den Japanern können wir nämlich jede Menge lernen, das wäre mal eine echte Bereicherung….

Wer jetzt meint, wir haben es deswegen mit einem Volk von Langweilern zu tun und es wurde ein fades Festival (es gibt ja genug Leute, die ohne Alkohol keinen Spaß haben können)  –  weit gefehlt:

Die Metalszene in Japan ist zwar eher überschaubar, ich würde auf 5000 bis 7000 Festivalbesucher in der ausverkauften Halle tippen (alleine im Großraum Tokyo leben unvorstellbare 40 Millionen Menschen), aber deswegen nicht weniger fanatisch oder enthusiastisch: man trägt schwarz bzw Bandshirts, kennt jede Textzeile und schüttelt das meist eher kurze Haar begeistert zur Musik… doch der Reihe nach:

Erst noch was zur Organisation: in der großen Messehalle war an beiden Enden jeweils eine Bühne aufgebaut und während die eine Bühne bespielt wurde, wurde die nächste vorbereitet. Ganz kurze Pause und weiter ging es: das klappte den ganzen Tag über perfekt & pünktlich:
Von den 10 auftretenden Bands zog ich mir nur drei in voller Länge rein:

Arch Enemy

Nach deren Gig fragte ich mich, warum die mir u.a. bei Kreator oder den 70 000 Tons of Metal seinerzeit so auf die Nerven gegangen sind: vielleicht hab ich mich aber auch inzwischen einfach nur daran gewöhnt, dass Optik und Stimme hier so gar nicht zusammenpassen wollen,  das war auf jeden Fall ein starker Auftritt, der die ganze Halle zu begeistern wusste.
Witziges Detail: die Japaner sieht man ja noch viel mehr mit dem Handy in der U-Bahn als es bei uns der Fall ist – bei Konzerten filmt aber kaum jemand. Nachdem man ja nicht so oft nach Tokyo kommt, habe ich ein paar mehr Sequenzen als sonst gefilmt, einen kurzen Ausschnitt findet ihr in dem Video:
[vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=xWVYORF-d4s“ title=“Arch Enemy Tokyo Download Festival 2019″]

War auf jeden Fall ein starker Auftritt vor einem sehr dankbarem Publikum, danach ging es erst einmal vor die Halle in die Sonne um dem Wahnsinn beim Merchandising zuzusehen: eine lange, lange Schlange, die Slayer-Tour-Shirts waren als erstes ausverkauft, aber auch das Merch von den anderen Bands oder vom Festival selbst war bis zum Abend einfach komplett leer gekauft.

Mir lief noch ein Japaner mit einem Amken-Shirt über den Weg. Amken?
Ja, das waren die jungen Griechen die ich in Innsbruck als Support von Gorgoroth entdeckt hatte, die waren wohl vor ein paar Monaten auch in Tokyo. Leider war das Englisch des jungen Mannes nicht wirklich gut, so dass hier keine längere Unterhaltung zustande kam.
Zeit für die nächsten Giganten des Heavy Metal:

Anthrax

Anthrax hab ich etliche Male schon gesehen, alleine bei jedem Slayer-Konzert dieser Tour als Support – aber das macht gar nichts, die haben einfach  eine brutale Live-Wirkung und hier wird jetzt auch nicht zuviel verraten:
Auch wenn gefühlte 50% der Festival-Besucher ein Slayer-Shirt anhatten, so war jedoch bei Anthrax die beste Stimmung: die Jungs haben einfach konsequent Vollgas gegeben und alleine schon direkt vor meinen Augen war quasi das ganze Konzert über ein Cirle-Pit – zeitweise waren es drei von denen in der Halle: mit die beste Stimmung die ich je bei einem Konzert erlebt habe – das machte richtig Laune. Auffällig beim Circle/Pit haben halt nur die Leute mitgemacht die darauf Bock hatten, keiner wurde von außen reingeschubst, sehr faszinierend das ganze:
[vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=gzqiMOVpUGw“ title=“Anthrax Tokyo Download-Festival 2019″]
Noch schnell einen kostenloses Monster-Energydrink – die waren Sponsor von dem Festival – abgeholt und dann sollte es auch schon so weit sein:

Slayer in Tokyo

[vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=i7A9uQFyWxs&t=2s“ title=“Slayer live Tokyo Download-Festival 2019 – Intro & Repentless“]

Slayer waren ja wenige Tage zuvor noch in Australien gewesen und ich frage mich ja immer, wie Bands mit so Geschichten wie Jetlag umgehen bzw diesen verkraften –  hier hatte ich leider den Eindruck, daß das diesmal nicht so gut der Fall war: Waren die Konzerte in Spanien und auch München brutal gut, so wirkte Slayer dieses mal müde bzw angeschlagen: Zum einen hat man es an den Gesichtern deutlich gesehen, zum anderen hatten sie sehr lange Pausen zwischen den Liedern und der Stimme von Tom hat man es auch angemerkt.

[vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=YuXH0yxlwKg“ title=“Slayer Tokyo 2019 Impressions – Disciple – War Ensemble – Raining Blood – Download Festival“]

Zudem hatten Slayer leider nur einen Bruchteil ihrer Feuereffekte und die großen Metall-Adler gar nicht im Gepäck, so dass mir im direkten Vergleich dann doch einiges fehlte, wobei vor allem die Konzerte in Madrid und Barcelona ohnehin schwierig bis gar nicht zu toppen sind.

Der Stimmung bei den Japanern tat es keinen Abbruch: es ging zwar nicht mehr so wild zu wie bei Anthrax, aber es wurde immer noch gut abgefeiert, ich hab mal versucht das einzufangen: Vor allem  bei der Verabschiedung merkt man dann doch, welche Verehrung auch im Land der aufgehenden Sonne Slayer entgegen gebracht werden:
[vc_video link=“https://www.youtube.com/watch?v=2ivgOCVJaDA&t=28s“ title=“Slayer Tokyo 2019 – Angel of Death / Goodbye – Download Festival“]
Was sollte nach Slayer noch kommen – richtig, Judas Priest. Wenn man den Veranstaltern eines durchwegs perfekt organisierte Festivals einen Vorwurf machen kann, dann diesen:

Diese Reihenfolge war einfach für den Arsch, die Halle leerte sich hier doch merklich. Ich war dank Zeitverschiebung und nach 9 Stunden Anwesenheit in der Halle ohnehin durch und suchte das Weite,  wobei mir Judas Priest fast schon wieder leid getan haben, als ich gesehen habe wie viele die Halle verlassen haben:  auch wenn ich kein Fan von Abschieds-und Re-Union Touren bin, so hat es auch diese Legende nicht verdient vor einer halbleeren Halle zu spielen.

Beim Verlassen der Halle bekam jeder noch ein Poster vom Festival gratis in die Hand gedrückt, anhand von denen sollte ich am nächsten Tag dann noch einige Metal-Heads am Hauptbahnhof in Tokyo erkennen – diese waren übrigens durch die Bank alle allein reisend, es waren ohnehin sehr viele Besucher alleine auf dem Festival:

Hier kommen die Leute noch wirklich wegen den Bands und der Musik – und nicht weil man sich in einer großen Gruppe vollaufen und ordentlich daneben benehmen kann, ohne dass die bessere Hälfte oder Mami und Papi schimpfen – sehr, sehr angenehm das ganze.
Japan ist leider nicht gerade ums Eck, ansonsten würde ich mir dort gerne öfter Konzerte  reinziehen. Für mich war es ohnehin nur der Auftakt zu einem interessanten Japan-Trip mal sehen, wieviel ich davon noch die nächsten Tage hier einstellen kann.
Stephan Tempel

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