„Nach der Wahl ist vor der Wahl“ – so hab ich es kampfeslustig letzten Sonntag auf dem Profil einer Facebook-Freundin gelesen, bevor sie mich und einige andere die nicht ihre vereinspolitischen Ansichten teilen entfreundet hat. Auch in anderen sozialen Netzwerken ein ähnliches Bild – man diskutiert nicht, sondern man bekriegt sich weiter – und ich denke mir dabei nur: „Echt jetzt?“
Ich persönlich bin es ja gewohnt, dass ich für meine politischen Ansichten (auf Facebook) entfreundet werde:
lustigerweise bin ich den einen zu weit rechts, den anderen dafür zu weit links – und mir ist´s herzlich egal: wer sich bei einer politischen Diskussion durch ein entfreunden auf Facebook verabschiedet, der ist auch im echten Leben kein Verlust.
Aber bei Sechzig?
Auch hier gehen die Ansichten, was für den Verein das beste ist seit über 20 Jahren weit auseinander: Olympiastadion oder Sechzger, gemeinsames Stadion mit dem FC Bayern oder nicht, Investor ja oder nein, etc… all diese Diskussionen haben – leider – einen tiefen Graben durch die Fanlandschaft des TSV 1860 gezogen – dummerweise sind nach vielen Jahren der Misswirtschaft & Erfolglosigkeit die Fans das letzte Kapital, das dieser Verein noch hat.
Ich denke da sind wir uns alle einig.
Wäre es jetzt – wo die Wahl gerade mal eine Woche her ist und die nächste in weiter Zukunft liegt – nicht an der Zeit, die Diskussionen über die richtige vereinspolitische Ausrichtung auszusetzen und den Blick gemeinsam nach vorne zu richten?
Ja Stephan, Du sprichst Dich leicht – „Dein“ Präsident hat ja gewonnen….
Das hat damit gar nichts zu tun. Ich bin am Freitag vor der Wahl Mitglied auf Lebenszeit gewonnen – und da war ich mit bei weitem nicht sicher, dass das so kommt. An der Liebe zu den Löwen und meiner Meinung zur jetzigen Situation hätte das aber nichts geändert, nicht zuletzt weil ich die letzten Jahre meine Lektion gelernt habe:
Ich kann jeden verstehen der persönlich enttäuscht ist, dass es nicht nach seinen Vorstellungen läuft – politisch gesehen.
Mir ging es ja auch so: Ich war gegen den Umzug ins Olympiastadion, hatte aber dann trotzdem in der Nordkurve eine Dauerkarte. Ungleich schlimmer war die Allianzarena: gegen diese hab ich persönlich soviel Energie aufgewendet (gerne mal dazu mehr in einem Extra-Artikel), dass ich mir zum ersten mal seit 1991 keine Dauerkarte geholt hatte und als Mitglied ausgetreten bin, weil ich mit diesem Kurs überhaupt nicht einverstanden war und ihn nicht unterstützen wollte. Das war 2005.
Im Stadion war ich dann trotzdem, wenn auch nicht mehr so regelmäßig: Zum einen hat es da draußen einfach keinen Spaß gemacht, zum anderen bin ich durch meinen Beruf sehr viel Unterwegs. Ich hab ja auch letztes Jahr im Sechzger trotz Dauerkarte nicht einmal die Hälfte der Spiele gesehen..
2007 bin ich dann wieder eingetreten, weil die Liebe zu meinem Verein deutlich stärker war als die persönliche Enttäuschung über die AA und ihr Zustandekommen. Was hatte der Austritt gebracht? Dass ich die 25jährige-Mitgliedschaft um´s Arschlecken verpasst und mein Wahlrecht bei meinem Herzensverein aufgegeben hatte. Ja mei…
Heute finde ich besonders erschreckend, auf welchem Niveau diskutiert, genauer gesagt sich gegenseitig beschimpft wird: Ruinenanbeter, Ewiggestrige, Roberts Jünger oder dieser wird „Robert Reistnix“ – dem gegenüber stehen dann die Ismaik-Jünger und Scheich-Arschkriecher – ja sauber: Bei soviel „Niveau“ wird mir einfach nur schlecht.
Ja, ich verkünde meine Meinung auch und diskutieren gerne, gerade in den sozialen Netzwerken – dafür sind diese ja unter anderem da. Aber doch bitte mit etwas Anstand.
Aktuell ist es aber so, dass uns die ganzen politischen Diskussionen nicht weiter bringen: Egal was wir uns in den nächsten Wochen und Monaten um die Ohren hauen – es wird sich erst einmal nichts ändern. Es wurde vom höchsten Vereinsorgan vor einer Woche eine Entscheidung getroffen – und diese gilt es zu respektieren. Wer ab jetzt weiterhin Wahlkampf betreibt und jedes sportliche Ereignis zu seinen Gunsten deutet, vergrößert den Graben unter den Löwenfans nur unnötig. Das gilt für beide Seiten.
Es wird Zeit, diesen Graben zuzuschütten, lasst uns doch einfach damit beginnen: Unterlasst Diskussionen & Sticheleien die aktuell nichts bringen, erweist eurem Gegenüber egal welche Meinung er hat euren Respekt – er will auch nur das Beste für die Löwen. Der Wahlkampf beginnt noch früh genug.
Unser Verein hat ein tolles Motto diesbezüglich ausgerufen:
VEREINenStattSpalten – das sollten wir uns alle zu Herzen nehmen.
Nach der Wahl ist vor der Wahl, richtig. Aber nicht jetzt.
Jetzt geht es um Sechzig.
Mir zumindest.
Stephan Tempel