Alles RedBull, oder was?

 

…oder auch: Warum ich mit Investoren & Konzernvereinen wenig bis gar nichts anfangen kann:

Diese Gedanken verfasse ich wenige Tage, nachdem ich mir in Göteborg das Champions-League-Finale meines ehemalige Eishockey-Lieblingsvereines EHC München – jetzt RedBull München – angeschaut habe. Selten so emotionslos einer Sportveranstaltung beigewohnt, daher auch meine Gedanken… Zu RedBull verfasse ich aber einen gesonderten Artikel – das Thema ist leider schon rum, deswegen jetzt erst einmal zum Thema „Investoren beim Fußball“:

In schöner Regelmäßigkeit kommt man als Fußball-Fan im Allgemeinen oder 1860-Fan im ganz besonderen um die Diskussionen „Investoren im Fußball“ oder „Konzernvereine wie RedBull Leipzig – gut oder schlecht“ nicht herum – im Eishockey ist es ähnlich, gerade als Fan des Münchner Eishockeys  – und nachdem ich diese Diskussion schon viel zu oft geführt habe, halte ich meine – akutelle – Meinung dazu jetzt einfach mal schriftlich fest. Natürlich würde mich eure Meinung dazu auch interessieren  – hinterlasst sie doch bitte hier in den Kommentaren, Danke dafür.

Zu Beginn stellen sich erst einmal eine ganz grundsätzliche Fragen:

Was ist das besondere an meinem Verein? Was macht ihn für mich zu dem Verein, dem ich mein Herz geschenkt habe? Warum ist es genau dieser Verein geworden und nicht ein anderer?

Ich denke, hier sind die Beweggründe ganz unterschiedlicher Natur: Viele werden in ihren Verein einfach hineingeboren, man wird von Freunden mitgenommen oder man entwickelt seine große Liebe über das Fernsehen oder einen zufälligen ersten Stadionbesuch. Dann gibt es natürlich auch die, die sich mit der Geschichte oder politischen Ausrichtung eines Vereines beschäftigen und ihm deswegen ihr Herz schenken – ich denke, der FC St. Pauli ist (oder war) hier ein schönes Beispiel.

Warum ich Löwenfan geworden bin bzw. was das besondere an 1860 für mich ist findet ihr hier.

 

Gibt es auf die oberen Fragen viele verschiedene Antwortmöglichkeiten ohne dass man  diese pauschal als richtig oder falsch bezeichnen könnte, so kommen wir dann doch an einen Punkt, der nicht mehr ganz so viele Auswahlmöglichkeiten offen lässt:

Was möchte man als Fußball-Fan bzw. als Anhänger eines bestimmten Vereines?

 

a) den größtmöglichen sportlichen Erfolg um jeden Preis

oder

b) einen Verein, mit dem man sich bestmöglich identifizieren kann (der aber natürlich auch den maximalen sportlichen Erfolg erreichen soll)

 

An diesem Punkt gibt es nur noch die Antworten a oder b: Sollte für Dich der sportliche Erfolg über allem stehen, dann sind für Dich auch Investoren- oder gar Konzernvereine kein Problem. Aber von was bist Du dann noch Fan?

Antworten die in diesem Zusammenhang von Fans solcher Vereine oder Modelle – also von Anhängern der Antwort a –  kommen, sind folgende:

 

„Ich bin Fan von der Mannschaft“

Das ist meiner Meinung nach mit das dümmste Argument, welches man vorbringen kann: ich bin seit über 30 Jahren Löwenfan – von wem genau soll ich jetzt Fan sein? Von Andreas Löbmann? Markus Lach? Rainer Berg? Frank Pingel? Elvis Brajkovic? Willi Bierofka? Werner Lorant? Gerald Vanenburg?

Spieler, Trainer und Funktionäre sind beliebig austauschbar, der Verein als ganzes ist sicherlich größer.

 

„Die spielen aber tollen Fußball/tolles Eishockey“

Habe ich insbesondere in Zusammenhang mit RedBull München / Salzburg / Leipzig jetzt öfter gehört und das Argument ist vielleicht tatsächlich noch dümmer als das erste: Zum einen ist es ja völlig logisch, dass eine Mannschaft in der etliche Millionen mehr als im Großteil der Konkurrenz stecken eine gute sportliche Leistung abliefert (ok, die Einkaufspolitik von Hasan Ismaik ist in diesem Fall die Ausnahme, die die Regel bestätigt) – zum anderen: was macht ihr denn, wenn die keine tolle sportliche Leistung mehr zeigen? Etwas nicht mehr hingehen? Nicht mehr Fan sein?

Auch hier ist die Antwort klar: der Verein ist größer als eine sportliche Momentaufnahme.

 

„Der Verein ist für mich das Wappen und wir Fans“

Hier kommen wir meiner Betrachtungsweise schon näher:  der schwarze Löwe und die heiligen vier Zahlen 1-8-6-0 – ja, damit kann ich mich anfreunden, obwohl ich doch eigentlich mit „Antwort b“ antworten würde – hier müssen wir allerdings etwas in die Tiefe gehen:

„Ist es mit Investor nicht noch der gleiche Verein, nur mit einem besseren Geldgeber?“

Man mag mich als altmodisch betrachten, aber ich bin tatsächlich der Meinung, dass ein Verein in erster Line durch seine Fans bzw. Mitglieder besteht – und die Mitglieder das höchste Vereinsorgan sein sollten. Mit ausgelagerten Gesellschaften wie KGaA, AG kann ich persönlich nichts anfangen – und mir ist auch nicht klar, warum bei einem Verein der eine mehr als 150jährige Geschichte und Tradition und über 20 000 Mitglieder hat, auf einmal ein einziger Mann das Sagen haben sollte, nur weil er seinen üppigen Geldbeutel aufgemacht hat.

Außerdem: Soll ich ein Investorenmodell auf einmal toll finden, nur weil zufälligerweise wir ausgewählt wurden? Ich bin in den 90ern einiges mit Chelsea unterwegs gewesen und habe mich dann emotional verabschiedet, als Abramowitsch kam: Sagenhafte vier Milliarden soll der von seinem Antritt bis heute in Chelsea investiert haben, 17 Titel holte Chelsea in dieser Zeit: Kann man auf diese Titel stolz sein? Stolz, weil man bzw. sein Verein zufälligerweise das Lieblingsspielzeug eines Milliardärs wurde?

Wo bleibt der sportliche Gedanke, der Fairnessgedanke? Ist es denn Gerecht, wenn sich ein Verein gegenüber Investoren öffnet und dadurch einen massiven Vorteil gegenüber den anderen Vereinen hat?

..und etwas weiter gedacht:

…wenn sich dann zwangsweise immer mehr Vereine für Investorenmodelle öffnen – was haben wir dann irgendwann erreicht?

Dass quasi alle Vereine fremdbestimmt werden, kein Verein mehr seinen Mitgliedern gehört, aber letztlich doch alle gleichgestellt sind? Ja zefix, warum sparen wir uns die Investoren dann nicht gleich, wenn wir letztlich dann doch wieder alle gleich sind, aber wir als Mitglieder keinerlei Einfluss mehr auf (die Fußballabteilung von) unseren/m Verein haben?

Ich möchte einen Verein, mit dem ich mich identifizieren kann: Für mich ist in erster Linie die Basis eines jeden Vereines seine Fans: diese – bzw. die Mitglieder – sind nicht nur das höchste bestimmende Vereinsorgan, sondern auch sein Kapital, in guten wie in schlechten Zeiten.

Löwenfan bin ich unter anderem, weil mich diese bedingungslose Treue der Löwenfans schon immer fasziniert hat: da spielst in der Bayernliga unter der Woche gegen Schweinfurt – und trotzdem ist die Hütte voll. Zumindest wenn es das vorgezogene Meisterschaftsendspiel ist.

Damals war es voll mit Menschen die einem Sportverein auch in 10 Jahren Drittklassigkeit die Treue gehalten haben – heute ist es immer noch voll: voll mit Menschen, die sich bewusst für diesen Verein entschieden haben, obwohl er in den letzten 30 Jahren sportlich immer unter dem Stadtrivalen stand – bis zu drei Ligen über uns hat der Stadtrivale gespielt und mehr als einmal hat uns sogar dessen zweite Mannschaft geärgert… und trotzdem halten wir diesem Verein immer noch die Treue.

Übrigens: auch voll mit Menschen, die sich bei der Mitgliederversammlung für einen Politik der Konsolidierung anstatt eine Politik der Verschuldung ausgesprochen haben – aber das nur am Rande.

 

Ich bin Anhänger eines Traditionsvereines geworden: Tradition bedeutet für mich auch, zu alten Werten zu stehen – und ein Investor hat für mich im Fußball schlicht und ergreifend nichts verloren.

„Aber langfristig werden die Konzernvereine und Vereine mit Investoren die Macht im Fußball übernehmen…“

 

Es ist gut möglich, dass das passieren wird. Aber nur weil andere diesen – falschen – Weg einschlagen, bedeutet das nicht, dass mein Verein diesen Weg mitgehen oder hier – wie aktuell – gar eine Vorreiterrolle in Deutschland einnehmen muss:  Schämen sollten wir uns, dass gerade 1860 den Weg für Investoren in die Deutsche Bundesliga ebenen möchte.

Möglich bis wahrscheinlich, dass wir ohne Investor nie Deutscher Meister werden. Ja, das kann sein. Aber wir können jeden Tag stolz in den Spiegel schauen und zu den Top 50 Vereinen in Deutschland von über 27 000 gehören wir auch so, ohne uns zu prostituieren.

Würdet ihr eure Tochter auf den Strich schicken, um ein größeres Haus in Grünwald, einen Porsche und eine Gucci-Handtasche zu besitzen?

Für mich sind Ideale nicht verhandelbar – ich bin stolzer Anhänger des Traditionsvereines TSV 1860.

Stephan Tempel

 

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