Diesen Artikel schreibe ich in Thailand, wenige Tage nach dem Champions-League-Finale des EHC Red Bull München in Göteborg (der Bericht dazu ist hier), ich wollte erst alle Gedanken dazu sortieren. Wie ich grundsätzlich über Investoren- und Konzernvereine denke, habe ich ja an anderer Stelle schon geschrieben.
Was der Einstieg bzw. die Übernahme von Red Bull bei meinem Verein – dem EHC München – bzw. meiner Bindung zu diesem Verein ausgelöst hat, das möchte ich in den folgenden Zeilen wiedergeben.

Eishockey in München – immer schon ein schwieriges Thema

Eishockey in München war ja – leider – schon immer ein schwieriges Thema:

EC HEDOS MÜNCHEN

Zum ersten mal beim Eishockey war ich 1989 beim EC Hedos München, mein großer Bruder und seine Spezl hatten viele Jahre dort eine Jahreskarte und da war eigentlich fast zu jedem Spiel eine Karte für mich frei. Ansonsten habe ich mir halt im Vorverkauf eine Eintrittskarte geholt. Vorverkauf? Ja, sehr viele Spiele des EC Hedos waren ausverkauft, nicht zuletzt weil sehr viele Löwenfans während der Bayernligazeit auch zum Eishockey gegangen sind.

Nachdem der EC Hedos mit der finanziellen Brechstange sich quasi die Deutsche Meisterschaft gekauft hatte…

Maddogs München

….nannte man den Verein in Maddogs München um, um in der neugegründeten DEL mitspielen zu können – und musste nach wenigen Spieltagen den Spielbetrieb einstellen. Im Eishockey damals unvorstellbare 16 Millionen DM Schulden sorgten für die Liquidierung des Vereines. War Eishockey in München damit am Ende? Nicht ganz:

ESC MÜNCHEN

Es  kam der ESC München: Ab 1995 in Spielgemeinschaft mit dem ASV Dachau,startete man in der Landesliga und marschierte munter durch die Ligen. Der ASV Dachau wurde bald aus dem Namen gestrichen und der ESC München landete inzwischen in der (drittklassigen) 1. Liga – doch da…

Barons München

…kam dann die Anschutz Entertainment Group, kaufte die Lizenz und den DEL-Startplatz des (zu Hedos-Zeiten verhassten) EV Landshut. Sie installierte die München Barons in der DEL.

Ich war fast erschütterter als bei der Liquidierung des EC Hedos. Da kommt der reiche Onkel aus Amerika, kauft die Lizenz des Erzrivalen, mit dieser spielt man dann in der höchsten Liga und wird Deutscher Meister? Wer soll sich denn bitte diese Scheiße anschauen? Ich auf jeden Fall nicht, ich ging da nicht hin – und so dachten auch viele andere.

Nachdem u.a. die Zuschauerzahlen trotz der Meisterschaft nicht zufriedenstellend waren, wurde das ganze Konstrukt 2002 nach Hamburg verlagert. Dort trat es dann unter dem Namen Hamburg Freezers an, bevor es 2016 endgültig liquidiert wurde.

HC 98 München

…ich war zwischenzeitlich ein paar mal beim HC 98 im Prinzregentenstadion – ein paar alte Haudegen u.a. vom EC Hedos hatten den Verein gegründet. Sie wollten noch etwas Eishockey spielenund dafür braucht man Eiszeit, die man als Verein leichter bekommt…

Allerdings war Eishockey-Bezirksliga im freien jetzt auch nicht der Augenschmaus, – der HC 98 wurde dann nach dem Wegzug/fall der München Barons in den…

EHC MÜNCHEN

…umbenannt – und hier folgte dann für mich wieder eine äußerst intensive Zeit beim Eishockey. Der TSV 1860 beschloss, seine Heimspiele zukünftig in der Allianzarena auszutragen und ich beschloss, mir das erste mal seit 1992 keine Dauerkarte zu holen sondern nur noch Auswärtsspiele zu besuchen. Dafür gab es halt dann eine Dauerkarte beim EHC München.

Bayernliga, Oberliga, 2. Liga, viele Auswärtsspiele – bevor 2010 der Aufstieg in die DEL feststand. Das erste mal seit dem EC Hedos konnte ich wieder mit einem Verein in der höchsten Deutschen Spielklasse mitfiebern, der sich die Teilnahme an dieser auch sportlich verdient hatte. Die Freude darüber währte jedoch nicht lange – schwarze Wolken und Finanzierungslücken kreisten mal wieder über dem EHC München und so….

EHC RED BULL MÜNCHEN

…stieg im Mai 2012 RED BULL beim EHC München als Haupt- und Namenssponsor ein. Am Anfang hatte ich noch die naive Hoffnung, dass Red Bull vielleicht durch den massiven Gegenwind aus Salzburg oder zum Leipziger Projekt gelernt hatte und vom EHC was übrig bleiben würde. Diese Hoffnung sollte sich jedoch 2013 endgültig zerschlagen.

Red Bull übernahm sämtliche Anteile am EHC München und – wie überall wo Red Bull übernommen hat – wurde der Verein komplett umgekrempelt:

Die Farben waren nicht mehr blau-weiß, sondern weiß-blau-rot, ein roter Bulle sollte zukünftig über das Eis jagen (wobei ich traditionell sowohl mit der Farbe rot, als auch mit Bullen beim Eishockey (Starbulls Rosenheim) so meine Probleme habe).

Red Bull – Vereine? Alle Wappen nahezu gleich

und das Wappen sollte auf einmal so aussehen, wie auch das von Red Bull Leipzig (Fußball), Red Bull Salzburg (Fußball) oder Red Bull Salzburg (Eishockey). Oder auch die von Red Bull New York (Fußball), Red Bull Ghana (Fußball) oder Red Bull Brasil (Fußball).

Gerade durch die äußerst radikale Übernahme von Austria Salzburg (dort wurden Vereinsfarbe und das Logo gewechselt, erzielte Meisterschaften der Austria aus der Historie gestrichen, Fans die im traditionellen Lila der Austria ins Stadion gingen wurde der Eintritt verwehrt, etc) oder die Installation des reinen Werbevereines Red Bull – tschuldigung – Rasen Ball Leipzig habe ich eine Abneigung gegen das Werbe-Engagement von Red Bull bei Sportvereinen.

Marketing-Technisch gesehen mag es genial sein: für vergleichsweise einen geringen finanziellen Einsatz erhält man ein vielfaches an medialer Aufmerksamkeit. Jenes würde durch herkömmliche Werbung mit diesen Mitteln niemals erreicht. Genial, sagt der BWLer ebenso wie der Marketing-Experte. Aber was bedeutet das für den Sport?

Davon ausgehend, dass mehr Konzerne auf diese Idee kommen, spielen halt irgendwann in der höchsten Spielklasse Red Bull Leipzig, Sony Göttingen, Apple Neumünster und Coca Cola Chemnitz. Dafür dürfen sich Borussia Dortmund, Schalke und Bayern in der 2. Liga mit Samsung United und Aldi Mühlheim um den Aufstieg streiten.

Kann das jemand ernsthaft wollen?

Ja, die Jungs spielen gutes Eishockey oder guten Fußball. Natürlich, es steckt ja auch mehr Kohle drinnen als bei den meisten Mitbewerbern/herkömmlichen Sportvereinen.

Im Eishockey geht´s nicht anders…

…hör ich öfters und muss dann doch mal die Tabelle der DEL rauskramen. Da spielen die Adler Mannheim, die Düsseldorfer EG, die Kölner Haie, die Augsburger Panther, die Straubing Tigers, die Eisbären aus Berlin, der ERC Ingolstad, die Pinguins Bremerhaven, die Krefeld Pinguine, die Iserlohn Roosters, die Grizzlys aus Wolfsburg und die Schwenninger Wild Wings.

Lediglich bei zwei Vereinen – den Thomas Sabo Ice Tigers und dem EHC Red Bull München ist der Sponsor zugleich Namensgeber, bei den anderen 12 Vereinen nicht. Irgendwie scheint es also auch ohne ein Namenssponsoring bzw. eine Übernahme im Eishockey zu gehen.

Dass Red Bull München inzwischen dreimal Meister wurde? Geschenkt: ich war zwar bei unzähligen Spielen und Aufstiegen von Münchner Eishockeyvereinen im Stadion – aber bei keiner Meisterschaft von Red Bull. Ich habe auch keine gefeiert: durch die Übernahme von Red Bull ist das für mich ein komplett neuer Verein. Mit einem Sponsor und Namensgeber der für mich für die ultimative Kommerzialisierung und Zerstörung der herkömmlichen Sportarten steht.

Für mich ist Vereinsliebe immer eine emotionale Angelegenheit. Auch wenn die Münchner Eishockeyvereine oftmals ihre Namen und ihre Wappen geändert haben, der Geist dahinter war immer der gleiche. Für mich zumindest – und auch das Publikum war immer relativ identisch.

Beim Einstieg von Red Bull sind sehr viele sehr gute Jungs vom Eishockey weggegangen, weil sie das nicht mit ihren Idealen vereinbaren konnten – mit Recht. Vom ehemaligen Verein ist einfach nichts, aber auch gar nichts mehr übrig. Das habe ich erst wieder festgestellt, als ich vor wenigen Tagen – komplett emotionslos – das Championsleague-Finale mit Red Bull München in Göteborg angeschaut habe.

Stephan Tempel

 

https://bunte-ansichten.de/investoren-konzernvereine-meine-gedanken-dazu/

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