Ich gestehe: ich bin dem Tätowiermagazin die letzten Jahre ja auch untreu geworden: In Zeiten, in denen man ja die neuesten Tattoos schon online bewundern kann, während der Kunde noch nicht einmal eingepackt ist, kann mich das Heft – leider – nicht mehr regelmäßig begeistern, vor allem fehlen mir in letzter Zeit immer häufiger die Berichte von den (hochklassigen) Tattooconventions und die Reiseberichte von TravelingMic – ein Umstand, den man dem Tätowiermagazin vermutlich nicht einmal vorwerfen kann: Mic hat vermutlich inzwischen sämtliche tätowierten Urvölker dieser Erde bereist und dazu einen Artikel verfasst und in diesen schweren Zeit für Printmedien können die Reporter vermutlich mal nicht eben locker nach L.A. oder London jetten, um einen Bericht über eine Tattooconvention für das Tätowiermagazin zu schreiben.
Die Jubiläumsausgabe zum 25jährigen habe ich mir jedoch gerne geholt, bin mir über das Fazit aber noch nicht so ganz sicher: Bei dem was der ehemalige Chefredakteur Dirk-Boris über seinen ersten Kontakt mit dem Tätowiermagazin schrieb, musste ich an meinen eigenen ersten Kontakt denken: Gab es früher für Tattoo-Interessierte wie mich in jungen Jahren nur das amerikanische „Tattoo“ in der Internationalen Presse am Hauptbahnhof zu kaufen, so war ich damals auch überglücklich, dass es endlich ein deutschsprachiges Magazin quasi überall zu kaufen gab – und beim jetzigen Rückblick kam mir irgendwie jedes Cover bekannt vor und ich wusste teilweise noch die Artikel dazu – hatte ich doch die Hefte über viele Jahre quasi verschlungen und wieder und wieder gelesen – es gab ja noch lange Zeit kein Internet bzw. die Chance, sich in diesem über Tätowierungen zu schlau zu machen.
…und trotzdem fehlt mir in der Jubiläumsausgabe etwas entscheidendes: Der Grund, das Tätowiermagazin auch weiterhin zu kaufen, außer eben dem Grund dass man es schon immer kauft und es schade wäre, wenn das erste deutschsprachige Printmedium zum Thema „Tattoo“ vom Markt verschwinden würde. Was haben wir denn diesmal?
Zur Abwechslung ein wirklich hübsches Model mit Ausstrahlung auf der Titelseite – Instagram-Account @ninasphynx. Was für eine optische Wohltat im Gegensatz zu dem, was sich oftmals als „Tattoomodel“ bezeichnet und eher ein trauriges dasein auf Instagram oder in der Tattoo-Erotica (wobei ich die Tattoos zu 90% dort drinnen einfach unterirdisch und somit auch die Trägerinnen unterotisch finde) fristet – aber Nina ist auch kein klassisches Tattoomodel, sondern eine Tätowiererin die so nebenbei u.a. einen Modelwettbewerb in L.A. gewonnen hat.
Die Rückschau von Dirk-Boris auf 25 Jahre Tattoo-Geschichte hat mir gut gefallen, auch wenn da meiner Meinung nach deutlich mehr gegangen wäre als ein paar Bilder und etwas Text auf gerade mal drei Seiten – aber gut, so lange Texte wie meine liest ja ohnehin kaum jemand. Weitere drei Seiten mit einer witzigen Timeline über die Tattoo-Trends der letzten 25 Jahre und dann kommen quasi schon auf 25 Doppelseiten 25 Stilprägende Tätowierer – und mir war bei der Ankündigung auf der Titelseite schon klar, welche Tätowierer ich dort auf jeden Fall finden würde. Auf jeden Fall deutlich besser als das sackdämliche „die besten Deutschen Tätowierer“ vor einigen Jahren.
War mir gar nicht gefällt: inzwischen ist das TM dazu übergegangen, Werbeanzeigen von Tattoostudios wie Berichte über diese Studios zu gestalten – das ist so eine dümmliche Masche, die man eigentlich aus Zeitungen für Rentner kennt, wo denen in den auf redaktionell gemachten Werbeanzeigen irgendein Müll verkauft werden soll. Die so präsentierten Studios sind zwar alles andere als Müll und wirklich gut, aber die Art und Weise finde ich trotzdem daneben – da ändert auch das – vorgeschriebene – Anzeige am Rand nichts. A propos Anzeigen: Ja, ich verstehe dass man Anzeigenkunden schlecht aus moralischen Gründen ablehnen kann, so lange sie nicht für Waffen oder ähnliches werben – aber eine Anzeige von Emla um schmerzfrei zu tätowieren im Tätowiermagazin, dazu gleich noch als Bannerwerbung auf der Homepage? Ernsthaft?
Ansonsten findet man noch die üblichen Rubriken – u.a. die Gurke des Monats, ein Tätowierer aus jedem Postleitzahlengebiet wird vorgestellt und dann noch der Bericht von der „Battle of the Best“ – dem Finale vom großen Tätowiermagazin Nachwuchscontest – die „Battle of the Best“ fand übrigens auf der Tattoomenta Kassel statt, von dieser selbst ist aber ansonsten weder ein Wort, noch ein Bild zu finden – Schade.
Insgesamt ein bißchen wenig Futter für eine Jubiläumsausgabe wie ich finde – ich hoffe einfach mal auf Besserung und interessantere Inhalte in den nächsten Ausgaben.
Stephan Tempel